Bestandsführung in der betrieblichen Altersversorgung (bAV)


Es ist ein politisches Ziel der Bundesregierung, die betriebliche Altersversorgung (bAV) weiter zu stärken und zu fördern. So finden wir z. B. auf Seite 73 des Koalitionsvertrages:

„Neben der gesetzlichen Rente bleiben die betriebliche wie private Altersvorsorge wichtig für ein gutes Leben im Alter. Die betriebliche Altersversorgung wollen wir stärken, unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen. Zusätzlich muss das mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz bereits in der vorletzten Legislaturperiode auf den Weg gebrachte Sozialpartnermodell nun umgesetzt werden.“

Betriebsrentenstärkungsgesetz
Das hier erwähnte Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) war schon ein erster bedeutender Schritt, der betrieblichen Altersversorgung mehr Gewicht und mehr Attraktivität zu verleihen. Im Vorwort zum Gesetzentwurf hieß es damals:
„Betriebsrenten sind noch nicht ausreichend verbreitet. Besonders in kleinen Unternehmen und bei Beschäftigten mit niedrigem Einkommen bestehen Lücken. Deshalb sind weitere Anstrengungen und auch neue Wege notwendig, um eine möglichst weite Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung und damit verbunden ein höheres Versorgungsniveau der Beschäftigten durch kapitalgedeckte Zusatzrenten zu erreichen.“
Mit dem BRSG wurde bekanntlich mit der „reinen Beitragszusage“ eine neue Zusageart etabliert, in deren Rahmen auf jegliche Garantiezusagen verzichtet werden muss und stattdessen voll auf die Antizipation am Kapitalmarkt gesetzt werden kann. Voraussetzung ist ein Sozialpartnermodell, d. h. eine tarifvertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgebern/Arbeitgeberverbänden einerseits und Gewerkschaften andererseits zur Eröffnung der „reinen Beitragszusage“. Und weil die Durchführung dieser Zusageart nur in versicherungsförmiger Art, d. h. von Pensionskassen, Pensionsfonds und Lebensversicherungen, erlaubt ist, gehört auch immer noch einer dieser Versorgungsträger als Produktgeber mit ins Boot.

Erstes Sozialpartnermodell
Lange Zeit war das Sozialpartnermodell ein „Markt ohne Nachfrage“, denn mehrere Kooperationen zwischen Versorgungsträgern boten sich als Produktgeber an, aber keines dieser Angebote wurde bisher von einem Sozialpartnermodell nachgefragt. Nun ist es aber endlich geschafft – das erste echte durch die Sozialpartner der Chemieindustrie (Gewerkschaft IGBCE und Arbeitgeberverband BAVC) ins Leben gerufene Sozialpartnermodell ist verabschiedet. Natürlich ruhen auf diesem Projekt die Hoffnungen, als Türöffner die Vorteile der reinen Beitragszusage zu beweisen. Erster Produktgeber wird der CHEMIE Pensionsfonds AG der R&V sein, mindestens eine weitere große Pensionskasse im Tarifverbund Chemie wird in Kürze ihren Kunden ein entsprechendes Produkt anbieten.

Was bringt die Zukunft?
Der Start der reinen Beitragszusage, die sehr wahrscheinliche Verbreitung dieses Modells und die Aussicht auf weitere mögliche Produktinnovationen stellen die Versorgungsträger vor neue Herausforderungen. Die Umsetzung der reinen Beitragszusage ist nicht trivial. Und wenn sich für diese Zusageart ein größerer Markt auftut, so wie es die Bundesregierung gern möchte, und ein Versorgungsträger daran partizipieren will, wird er wohl seine IT-Systeme und insbesondere seine Bestandsführungs- und deren Nachbarsysteme wiederholt auf den Prüfstand stellen müssen.

Die im Koalitionsvertrag zusätzlich zur reinen Beitragszusage in Aussicht gestellte „Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen“ lässt Spekulationen auf weitere mögliche Produktinnovationen in der bAV zu, z. B. auf eine modifizierte BZML.

Die Umsetzung der im europäischen Rahmen verordneten Informationspflichten in der bAV (VAG-InfoV) zum 1. Januar 2020 und zumindest für die Lebensversicherer die Einführung des neuen Rechnungszinses von 0,25 % zum 1. Januar 2022 sind gerade geschafft, da ist mit der Realisierung der digitalen Rentenübersicht (RentÜG) schon die nächste gesetzliche Anforderung zu meistern. Von Solvency II und PRIIP blieb die bAV bisher noch verschont – noch! Wenn die Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, die Zugangsmöglichkeiten zum Kapitalmarkt für die bAV erweitert, könnte dies im Gegenzug sowohl zu verstärkter aufsichtsrechtlicher Kontrolle analog zu Solvency II als auch zu ausführlicheren Informationspflichten gegenüber den versicherten Arbeitnehmern analog zu PRIIP führen.

Auch heute schon sind regulierte Pensionskassen und andere Versorgungsträger gezwungen, spezielle aufsichtsrechtliche Maßnahmen in ihren Systemen zu implementieren (biometrische Nachreservierung, Zinsnachreservierung, Rechnungszinssenkung in bestehenden Verträgen).

Die beabsichtigte Stärkung der bAV durch die Bundesregierung ist natürlich auch ein Aufruf an die Versorgungsträger, den Kundenservice zu verbessern und somit der bAV mehr Attraktivität zu verleihen. Arbeitgeberportale gibt es schon lange, Arbeitnehmerportale sind dagegen noch eher selten.

Letztlich leiden auch die Versorgungsträger der bAV unter der langen Niedrigzinsphase und dem sich daraus entwickelnden Kostendruck. Die Gewährleistung der Profitabilität erfordert eine Verschlankung der Prozesse bis hin zur vollständigen Automatisierung, insbesondere in der Bestandsführung und deren Nachbarsystemen. Es scheint z. B. nicht selten zu sein, dass die Arbeitgeber falsche Beiträge der Höhe nach und auch hinsichtlich ihrer „steuerlichen Färbung“ (dazu später mehr) melden und zahlen. Falls etwa 5 % aller Beitragsmeldungen betroffen sind, wären dies bei einer Million Verträgen 50.000 erforderliche Beitragskorrekturen monatlich (!), die u. U. manuell durchzuführen sind. Ein vollständig maschinell unterstützter Prozess könnte hier enorme Kosten sparen.

Wie ist die Zukunft zu meistern?
Eine dann als notwendig erkannte Modernisierung der Bestandsführung (gegebenenfalls inkl. ihrer Nachbarsysteme) erfordert die Entscheidung zwischen Eigenentwicklung und Kauf einer Standard-Software. Aber was ist Standard-Software in der bAV? Welche besonderen Anforderungen muss ein „bAV-Bestandsführungssystem“ erfüllen, um als Lösung für die oben skizzierten Herausforderungen in Betracht zu kommen?

Diese Fragen werden in Teil 2 dieses Blogbeitrags beantwortet.


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