Mit der Intensivierung des Wettbewerbs zwischen den Versicherern wird es immer teurer, neue Kund:innen zu gewinnen und Wachstum zu erzielen. Somit wächst die Bedeutung der Kundenbindung. Moderne Technologien unterstützen die Gesellschaften dabei.
Wohl nicht zuletzt dank des Erfolgs von Vergleichsportalen sind die deutschen Konsument:innen bei der Verwaltung ihrer Finanzen und Versicherungen wechselbereiter geworden.
Dies betrifft in erster Linie die SHUK-Sparte, die aus Kundensicht besonders „unkompliziert“ zu sein scheint. Das sollte bei den Versicherungsgesellschaften aber nicht dazu führen, sich im Bereich Leben und Kranken in falscher Sicherheit zu wiegen. Digitalversicherer entdecken dieses Thema zunehmend für sich und propagieren einen besonders einfachen Versicherungsschutz. Sie sprechen dabei vor allem die Generation der Millennials (Gen Y) an, doch auch die Gen Z beginnt bereits, sich aktiv um Versicherungsschutz zu bemühen.
Zwei Wege zum Wachstum
Um effektives Wachstum zu erzielen, muss die Zahl der Neuversicherten bzw. Bruttoprämien über den Werten der gewechselten Versicherten und deren Prämienverlusten liegen. Mittlerweile schränkt aber der demografische Wandel das natürliche Wachstum bei den Versicherten ein.
Versicherungen bleiben daher zwei Wege, Umsatzwachstum zu erzielen:
- Cross- und Upselling bei Bestandskund:innen. Diese Strategie verfolgten zahlreiche Gesellschaften in der Vergangenheit durch die Gründung von Tochterunternehmen, die losgelöst von der eigentlichen Kernmarke mit einem eigenen Auftritt „einfache“ Risiken absicherten, um so den Weg zum Abschluss von Lebens- oder Krankenversicherungen zu ebnen.
- Intensivierung der Kundenbindung: Gelingt es, die Versicherten stärker an die Gesellschaft zu binden, reduzieren sich als Folge die Verluste bei den Prämien. Die Hürden für das Wachstum werden niedriger. Und durch zusätzliche Leistungen, die nicht einmal unbedingt aus einer klassischen Versicherung bestehen müssen, kann mehr Umsatz generiert werden.
Doch wie funktioniert moderne Kundenbindung? Wie können die Generationen Y und Z angesprochen und gehalten werden?
Wechselhürden allein genügen nicht
Gebunden werden Kund:innen auf zwei Wegen: Zum einen wird die Wechselbereitschaft durch Barrieren reduziert. Das Unternehmen Apple ist ein Meister bei der Entwicklung solcher „Lock-Ins“. Wer sich in die Produktwelt von Apple begibt, profitiert von einem nahtlosen Zusammenspiel der verschiedenen Hard- und Softwarekomponenten. Hat man sich einmal daran gewöhnt, wird es zunehmend schwieriger, auf die Geräte und Services anderer Hersteller auszuweichen. Auf der anderen Seite müssen den wechselwilligen Kund:innen Gründe geliefert werden, um dem Anbieter weiter die Treue zu halten.
Die Erkenntnis, Hürden zu errichten, die den Wechsel erschweren, ist in der Versicherungswelt nicht neu. Durch lange Laufzeiten in den Verträgen mit entsprechender Kündigungsfrist sollten die Versicherten gehalten werden. Im Gegenzug gab es (überschaubare) Vergünstigungen bei den Prämien.
Ein Instrument, das nicht zuletzt bei jüngeren Generationen auf zunehmendes Unverständnis stößt. In einer Welt, in der sich Abonnements von Streaming-Diensten binnen Minuten einrichten, aber auch ebenso schnell wieder kündigen lassen, erscheinen lange Vertragslaufzeiten und Fristen nicht mehr zeitgemäß.
Zeitgemäße Kundenansprache ist emotional. Hier können viele Gesellschaften sich eine Scheibe bei Startups, Insurtechs und auch branchenfremden Größen abschneiden. Wer Mitglied von Netflix ist, weiß, dass der Streaming-Dienst fast ausschließlich auf emotionale Bilder setzt, um sein Angebot zu positionieren.
Von Netflix, Amazon und Co. lässt sich aber noch etwas anderes lernen. Die Dienste fragen die Nutzer:innen regelmäßig nach deren Wünschen und Vorlieben, um eine Grundlage für bessere Angebote zu schaffen. Das können auch Versicherungsgesellschaften, sofern dann auch der Wille besteht, diese Daten zu sammeln und zu analysieren.
Ein deutsches Kreditinstitut hat das Produkt „Wie für mich gemacht“-Kredit entwickelt, das offensiv mit Ratenpausen wirbt, wenn sich die Lebensumstände der Kreditnehmer:innen ändern.
Um ein aktuelles Beispiel für geänderte Lebensumstände aufzugreifen: Die Pandemie prägt wohl wie kein anderes Ereignis zur Zeit die Lebensumstände von Kund:innen. Proaktiv könnten die Versicherten aus besonders gefährdeten Branchen aktiv angesprochen werden, um Unterstützung anzubieten. Damit würde sich das Unternehmen als verständnisvoller Partner positionieren.
Zusatzservices können die Wechselbarrieren erhöhen und potenziell weitere Umsätze generieren.
Beispiel Smart Home: Die Verkaufszahlen für Geräte zur Heimautomatisierung nehmen nach wie vor stark zu. Immer mehr Menschen entdecken den Komfort, Licht und Heizung per App oder Sprachsteuerung zu regeln. Solche Geräte werden aber auch zur Heimüberwachung genutzt, um vor Einbrüchen, Feuer, Wasserschäden oder Glasbruch zu warnen. Rund um dieses Thema lassen sich auch Versicherungsprodukte lancieren und Jahresmieten statt eines (teuren) Einmalkaufs der Geräte wären ein Weg, die Kund:innen stärker an die Gesellschaft zu binden.
Die Versicherer haben es so selbst in der Hand, auch in einem umkämpften Markt weiter Wachstum zu generieren. KI-Technologie, Personalisierung und Emotionalisierung sind der Schlüssel hierzu.
Sie haben Fragen oder Anmerkungen? Dann hinterlassen Sie uns gerne einen Kommentar.