Das Thema KI ist in aller Munde – und die täglichen Berührungspunkte nehmen stetig zu. Künstliche Intelligenz soll uns Aufgaben abnehmen, den Alltag erleichtern und Arbeitsprozesse optimieren. Im privaten Bereich hat jeder von uns wahrscheinlich die wahrnehmbarsten Berührungspunkte mit Technologien, die auf maschinellem Lernen aufgebaut sind. So gibt es unzählige Möglichkeiten sich ein vernetztes und intelligentes Zuhause zu schaffen, in dem sich alle technischen Geräte an die persönlichen Vorlieben und Gewohnheiten anpassen. Ob dies nun immer von Vorteil ist und einen Mehrwert bietet, muss jeder selbst beurteilen.
Besonders spannend sind jedoch die technologischen Entwicklungen, die immer mehr Einzug in den beruflichen Alltag halten. Zwar gelten die Bereiche rund um Human Resources nicht immer als die technischen Innovatoren, doch auch hier findet ein zunehmender Wandel statt. Gerade im Recruiting ist man mit der Herausforderung konfrontiert, aus einer Masse von Datensätzen die passende Person für den passenden Job zu finden – im Idealfall den sogenannten `perfect match´. Die Suche gestaltet sich oft schwierig. In riesigen Datenbanken, Jobbörsen und Bewerbermanagementsystemen versucht man die Personen zu finden, die in ihrem Bewerbungs-Profil hoffentlich ähnliche Begrifflichkeiten verwenden, wie in der eigenen Stellenausschreibung, damit Anhaltspunkte für den `match´ existiert. Ein aufwendiger Prozess, der viel Zeit in Anspruch nimmt. Gerade hier können KI-gestützte Tools hilfreich sein, um Such- und Matching-Technologien zu verbessern.
Vorbehalte und Qualität der Ergebnisse
Doch selbstlernende Systeme haben auch ihre Tücken, denn sie sind immer nur so gut und zuverlässig, wie die Trainingsdaten, mit denen sie angelernt werden und die den zugrundeliegenden Standard abbilden. Daher ist es auch verständlich, dass viele Bewerber*innen einige Vorbehalte haben, wenn KI in Form von Algorithmen im Einstellungsprozess Verwendung findet.
In diesem Fall bewertet der angelernte Algorithmus auf Basis von festgelegten Kriterien eingehende Bewerbungen und trifft eine Vorauswahl. Die Frage, die dabei im Raum steht ist, ob bei einem solchen Vorgehen überhaupt eine faire Bewertung unter Berücksichtigung all der vielen möglichen individuellen Eigenschaften und Besonderheiten einer Person gewährleistet werden kann. Hier spielen vor allem die Qualitätsansprüche des Unternehmens eine große Rolle, damit die KI im Vorfeld auch entsprechend mit guten Daten trainiert wird. Denn nur wenn die Training-Daten frei von möglichen (Trug) Schlüssen oder gegebenenfalls diskriminierenden Faktoren sind, kann das Ergebnis auch ethisch einwandfrei sein. Die Qualität der Entscheidungsprozesse sowie die richtige Interpretation der Daten muss sichergestellt werden. Eine große Herausforderung, der sich ein Unternehmen stellen muss, damit der Einsatz von KI auch die erhoffte Unterstützung in der Personalarbeit leisten kann.
Das hier noch viele offene Fragen im Raum stehen zeigt die Gründung des `Ethikbeirates HR Tech´ Anfang dieses Jahres, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, ein grundlegendes ethisch-moralisches Verständnis für den Technologieeinsatz in HR zu schaffen. Komplexe Prozesse wie die Auswahl eines Kandidaten oder einer Kandidatin sind derzeit sicherlich bei einem geschulten Recruiting-Spezialisten, der seine ganze Erfahrung in die Bewertung einer Bewerbung einfließen lassen kann, noch besser aufgehoben.
Bewerber-Usability
Doch nicht nur die Vereinfachung der Personalarbeit steht bei der Implementierung von KI-Systemen auf der Agenda; vor allem ist es auch die Verbesserung des Prozesses für Bewerber. Den mit einem einfachen und guten Bewerbungsprozess kann man auch als Arbeitgeber Pluspunkte beim Bewerber sammeln.
So kann man auf der Jobsuche bereits stark von den KI-basieren Systemen profitieren. Dies beginnt bei der Suchmaske einer Jobbörse. Nach Eingabe der eigenen Wunsch-Stellenbezeichnung erhält man direkt eine Liste aller möglichen passenden und aktuellen Stellenanzeigen, sortiert nach weiteren persönlichen Selektionskriterien. Viele Jobbörsen liefern sogar proaktive Empfehlungen auf Basis des bisherigen Suchverhaltens, einer individuellen Suchmaske oder auf Grund des hinterlegten Lebenslaufes. Funktionieren kann dies nur, weil die Systeme sowohl die bestehenden Anzeigen der Unternehmen als auch das Suchverhalten von Bewerbern stetig analysieren und aus diesen Daten Muster herauslesen und dazu die passenden Empfehlungen ableiten. Als Recruiting- oder Personalmarketing-Spezialist nutzt man diese Daten ebenfalls zur Optimierung der Stellenanzeigen und der Auswahl der passenden Keywords, damit die eigene Anzeige auch von den richtigen Kandidaten gefunden werden kann.
Kommt es dann zur Bewerbung, hat heute niemand noch Lust, aufwendig seine gesamten Lebenslaufdaten noch einmal händisch in ein Bewerbungsformular zu übertragen. Dank automatisierten Parsings, also einer Form des Dokumentensuchlaufs, sucht sich ein KI-basiertes Tool die relevanten Daten aus einer hochgeladenen Datei des Bewerbers und packt die passenden Informationen direkt in die vorgegebenen Datenfelder der Bewerbermanagement-Datenbank. Die Bewerbung landet so in der bestmöglichen Form im Recruiting und kann schneller bearbeitet werden. Zudem ist die Bewerbung so auch innerhalb des Systems bei Matching-Abfragen zu anderen offenen Stellen im Unternehmen auffindbar, wenn die Einwilligung des Bewerbers dazu vorliegt.
Noch weiter geht der Usability-Ansatz mit der Verwendung von Chatbots im Einstellungsprozess. Entstanden aus dem Wunsch, den Erstkontakt mit Bewerbern im Dialog zu gestalten und auf individuellere Fragen zum Bewerbungsprozess rund um die Uhr reagieren zu können. Also genau dann, wenn sich ein potentieller Kandidat mit einer Bewerbung beschäftigen möchte. Inzwischen ist die Technologie so weit vorgeschritten, dass nicht sofort ersichtlich ist, dass der Kontakt hier mit einem nicht-menschlichen Robotic-Kollegen aus dem Bereich HR stattfindet. Einen wirklich persönlichen Kontakt kann der Bot jedoch noch nicht ersetzen.
Fazit
Nie vergessen werden sollte während des ganzen Hypes um technologische Möglichkeiten durch künstliche Intelligenz, dass es sich bei der Personalauswahl um ein sensibles zwischenmenschliches Thema mit hoher Emotionalität handelt. KI sollte im Zuge dessen vor allem dem Nutzen des Bewerbers und des Recruiters dienen und nicht dazu führen, eine Person auf eine Nummer mit standardisierten Eigenschaften zu reduzieren. KI kann aber sicherlich wertvolle Unterstützungsarbeit leisten, solange die Kontrolle und Steuerung durch einen Menschen gewährleistet ist und die Sinnhaftigkeit der Ergebnisse stetig hinterfragt wird.