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Nachhaltigkeit in der Versicherungs­wirtschaft

Geschrieben von Melanie Hoppen | 23.01.2020

 

Die wissenschaftlich dokumentierte Veränderung unseres Klimas polarisiert die Gesellschaft. Das zeigt sich bereits an der Beschreibung des Phänomens: Die Begriffe Klimakatastrophe und Klimawandel bezeichnen die gleichen globalen Prozesse, je nach eigenem Standpunkt. Es ist ein Thema, das die Menschen bewegt und an dem auch die Versicherungswirtschaft nicht vorbeigehen kann.

Insbesondere im Handel und in der Konsumgüterindustrie ist das wachsende Interesse der Konsumenten am Thema Nachhaltigkeit schon jetzt spürbar. Die Verbraucher beschäftigen sich intensiver mit der Herkunft von Produkten, den Umständen der Herstellung, den verwendeten Rohstoffen und der Entsorgung von Gütern. Demografischer Wandel, sich durch Extremwetterlagen manifestierende Klimaveränderungen sowie die globale Verknappung von Ressourcen drängen in das Bewusstsein der Konsumenten. Die Aspekte der Nachhaltigkeit werden eher früher als später ebenfalls die Finanz- und Versicherungsbranche erreichen und Fragen aufwerfen.

Direkte Auswirkungen auf das Geschäftsmodell

Die klimatischen Veränderungen werden unmittelbaren Einfluss auf das Geschäft von Versicherern und Rückversicherern haben. So kommt die Investmentbank Schroders in ihrem „Climate Tracker“ zu dem Schluss, dass bei einer globalen Erderwärmung von 3 Grad Celsius die größten Teile der Welt nicht mehr versicherbar sein werden. Schon dies allein sollte ein gewichtiges Argument für die Assekuranz sein, um sich aktiv an der Erreichung der Klimaziele zu beteiligen.

Der Weg der EU zu nachhaltigen Finanzprodukten

Als traditionell einer der größten institutionellen Anleger ist die Assekuranz unter einem anderen Aspekt von globalen Veränderungen betroffen: Der klimatische Wandel verändert weltweit die Ausrichtung der Wirtschaft und die gesellschaftlichen Bemühungen in Richtung Nachhaltigkeit. Die EU-Kommission hat im März 2018 eine ganze Reihe von Initiativen gestartet, die darauf abzielen, den Aspekt der Nachhaltigkeit im Finanzwesen zu verankern. Die ESG-Kriterien (ESG: Environmental, Social und Governance) sollen sich in Zukunft auf Anbieter und Produkte gleichermaßen beziehen. Die Aspekte werden somit Eingang u. a. in MiFiD II (MiFiD: Markets in Financial Instruments Directive, zu Deutsch: Richtlinie im Wertpapierhandel), der IDD-Richtlinie 2016/97 (Insurance Distribution Directive, zu Deutsch: Versicherungsvertriebsrichtlinie) und in Solvency II (europäische Solvabilitätsanforderungen für Versicherer) finden.

Zu den ersten Maßnahmen, auf die sich Europäisches Parlament, Rat und Europäische Kommission geeinigt haben, ist die Transparenzverordnung. Die darin eingeführte Offenlegungspflicht soll gewährleisten, dass Kunden und anderen Interessengruppen ausreichend Informationen über die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten zur Verfügung gestellt werden.

Aus der Transparenzverordnung lassen sich unmittelbar einige Kernanforderungen für Versicherer ableiten.

  • Unternehmen und Vermittler müssen etwa auf ihren Websites über die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in Beratungsprozessen und Investitionsentscheidungen informieren.
  • Im Rahmen der vorvertraglichen Information und Beratung muss darüber informiert werden, wie Nachhaltigkeitsrisiken in den Beratungsprozess integriert werden und welche Auswirkungen die Risiken auf die Rentabilität eines Produkts haben können.
  • Große Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern müssen eine öffentliche Erklärung bereithalten, die über ihre Strategien in Bezug auf Nachhaltigkeit in den Investitionsentscheidungen informiert.
  • Vermittler und Gesellschaften müssen offenlegen, wie ihre Vergütungsrichtlinien mit der Integration von Nachhaltigkeitsrisiken vereinbar sind.

Zusätzliche Informationspflichten gibt es für Finanzprodukte, die als nachhaltig vertrieben werden. So soll sichergestellt werden, dass die Präferenzen des Kunden in Hinblick auf ESG auch bereits bei der anfänglichen Beurteilung und im Beratungsprozess dokumentiert werden.

Strategisches Handeln ist notwendig

Noch existiert kein vollständiges Bild über alle Regularien und Auswirkungen, welche die neuen EU-Verordnungen für ein nachhaltiges Finanzwesen auf die Assekuranz haben werden. Aber aus Eigeninteresse sollte es vor dem Hintergrund einer drohenden Klimakatastrophe in den Gesellschaften kein „Weiter so“ mehr geben. Es muss jetzt gehandelt werden, um nicht nur die operativen Auswirkungen für die Compliance zu prüfen, sondern strategisch an dem Thema Nachhaltigkeit und Risiken zu arbeiten. Denn die Kunden werden ohnehin, wie in anderen Branchen, danach fragen.

Es geht also darum, dass Versicherer in nachhaltiger Weise investieren und ein nachhaltiges Verhalten ihrer Klienten unterstützen und fördern.